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Von Reichweiten und Zielgruppen

Reichweite ist kein Wert an sich. Denn da fehlt noch etwas und alle die sich mit Marketing beschäftigen werden es schnell erraten: Das richtige Angebot. Die größte Reichweite nutzt nichts, wenn das Angebot nicht stimmt. Genau das dachte sich ein Bekannter vor Jahren, als Notebooks noch ein stärker nachgefragtes Gut waren als heute. Er hatte mehrere HunderttausendAdressen sehr günstig eingekauft und plante eine große Mailing-Aktion. Die sollte Notebooks verkaufen – nicht nur Leads generieren, sondern Abverkauf.

Foto Blogautor

Andreas Raum

Tuesday, Oct 08, 2013

Ein attraktives Notebook zum günstigen Preis war damals das richtige Angebot. Weil aber das richtigste Angebot nichts nützt, wenn es nicht schön verpackt ist, dachte er sich „eine runde Aktion“ aus. Er gewann einen Finanzdienstleister, der bereit war, die Notebooks zu finanzieren. Dann bemühte er einen Taschenrechner und etwas Kreativität. Ein „Notebook für 50 Cent am Tag“ war geboren. Die Idee finde ich noch heute brillant. Brillant fanden die Idee auch viele der mehreren Hunderttausend Empfänger. Noch während die Aussendung lief, kamen die ersten Bestellungen herein. Es waren nicht tausend, sondern viele tausend Bestellungen. Eine rundum gelungene Marketing-Aktion mit erheblichem Vertriebserfolg.

Eine interessante Diskussion ist in den USA über Reichweite entbrannt. Hier geht es um die Reichweite von Online-Medien. Es geht um die Produktion von Reichweite auch um den Preis der Wahrheit, um Mitarbeiter von Medien, die für viel Reichweite mehr Geld erhalten (Incentivierung). Nachzulesen ist die Geschichte hier. Verlinkt hat sie Online-Medien-Guru Jeff Jarvis. Das Dilemma auf den Punkt gebracht hat Neetzan Zimmermann, Reichweitenkönig seiner Publikation: “People don’t look to these stories for hard facts and shoe-leather reporting. They look to them for fleeting instances of joy or comfort. That is the part they play in the Internet news hole. Overthinking Internet ephemera is a great way to kill its viral potential.” Oder in anderen Worten, die Menschen wollen halt besch…en werden. Der gesamte Beitrag ist sehr lesenswert genau wie die verlinkte Statistik über die Reichweite von Neetzan Zimmermann.

Und an dieser Stelle komme ich zurück auf die gelungene Marketing-Aktion vom Anfang und die Ausgangsthese: Reichweite ist eben kein Wert an sich. Denn tatsächlich war die Marketing-Aktion keineswegs gelungen. Die große Zielgruppe des Mailings war zwar kaufwillig aber nicht finanzkräftig. Weit über 90 Prozent der Anfragen wurden vom Leasingunternehmen abgelehnt. Im Endeffekt lag das Ergebnis unter den Erwartungen und viel Handling-Aufwand hatte es auch gemacht. Die Lehre: Reichweite ist dann gut, wenn die Zielgruppe gut bzw. die richtige ist. Ist die Zielgruppe genau die richtige, dann ist es auch nicht schlimm, wenn die Reichweite nicht ganz so groß ist.

Gute Zielgruppen müssen gefunden und gewonnen werden. Sie müssen gepflegt werden, dann sind sie treu. Gute Zielgruppen finden sich nicht auf die Schnelle zusammen und lassen sich nicht mit Gewalt oder billigen Versprechungen hüten. Gute Zielgruppen sind wertvoll. In den seltensten Fällen sind sie günstig. Und sie sind schnell flüchtig, wenn die Ansprache oder die Betreuung nicht stimmt.

Das gilt für Partner, für Privat- wie Geschäftskunden.